top of page

7 Verschwendungsarten

In der klassischen Lean Production Lehre nach Taiichi Ohno wird zwischen insgesamt sieben Verschwendungs-arten unterschieden. In jedem Betrieb lassen sich zahlreiche Beispiele für die verschiedenen Arten der Verschwend-ung finden, wobei die Gewichtung immer unterschiedlich sein wird.

Timwood_5.gif

So ist die Verschwendungsart "Bestände" bei einem Einzelfertiger per Definition beispielsweise für Fertigprodukte eher selten, dafür könnte hier aber die Verschwendungsart "Bewegung" vielleicht aufgrund fehlender Arbeitsplatzoptimierung eine erheblich größere Gewichtung einnehmen.

 

Die Verschwendungsarten zu kennen hilft, sie in den Prozessen zu erkennen, was eine Grundvoraussetzung für deren Eleminierung bzw. Reduzierung ist.

Eine einfache aber wirkungsvolle Eselsbrücke, sich diese sieben Arten der Verschwendung zu merken, ist der Begriff TIMWOOD:

 

Die aufgeführten Verschwendungsarten sind in der Regel stark voneinander abhängig, das heißt, eine Verschwendungsart kann eine andere verursachen. So führt die Überproduktion zu erhöhten Beständen, die wiederum mit Mehraufwendungen für Transporte einhergehen.

T = Transport

Der Transport von Gegenständen ist eine nicht wertschöpfende Tätigkeit, die in sehr vielen Produktionsbetrieben sehr stark ausgeprägt ist. Transportiert wird so ziemlich alles, was sich transportieren lässt wie zum Beispiel Rohmaterial, Werkstücke, Fertigprodukte, Werkzeuge oder Betriebsmittel. Für die in vielen Betrieben existierende Abteilung des "innerbetrieblichen Transportes" ist der Transport zum Selbstzweck geworden. Sie transportiert beispielsweise Material von der Sägerei zur Dreherei, von dort zur Endmontage und dann in das Fertigwarenlager.

Transport.jpg

© ioannis kounadeas - Fotolia.com

Der Transport gehört zu der notwendigen Verschwendung, da Materialien bei jedem Fertigungsprozess zwangsläufig irgendwie durch die Produktion transportiert werden müssen. Allerdings gilt es, die Verschwendung durch Transporte bestmöglich zu reduzieren.

Mögliche Ursachen:

Überproduktion verursacht Bestände, die regelmäßig bewegt werden müssen. Eine unzureichende Gestaltung des Arbeitsplatzes kann zur Folge haben, dass benötigte Werkzeuge nicht vor Ort zur Verfügung stehen, sondern bei Bedarf erst geholt werden müssen. Ein werkstattorientiertes Produktionslayout, bei dem die einzelnen Wertschöpfungsschritte sehr weit voneinander entfernt sind, erhöht den Bedarf an innerbetrieblichen Transporten, um die Werkstücke von einer Bearbeitungsstation zur nächsten zu bringen.

 

Auswirkungen:

Häufig müssen Mitarbeiter ihre Arbeit am Produkt unterbrechen, weil Dinge fehlen, die sie dringend zum weiterarbeiten benötigen, diese aber noch nicht an den Arbeitsplatz transportiert wurden. So entsteht durch fehlenden Materialfluss eine andere Verschwendungsart: das Warten.

Durch den Transport selbst werden Ressourcen für nicht wertschöpfende Tätigkeiten gebunden, die anderweitig für die Wertschöpfung eingesetzt werden könnten.

I = Inventory = Bestände
Bestand.jpg

Bestände finden sich am Anfang der Wertschöpfungskette in Form von Rohma-terialen, innerhalb der Wertschöpfungskette als "Work in Process" (WIP) und am Ende der Wertschöpfungskette als Fertigprodukte.

© Ideeah Studio - Fotolia.com

Mögliche Ursachen:

Bestände verdecken Unzulänglichkeiten, die in der Regel an anderen Stellen entstehen.


Nachfolgend einige Beispiele:

  • hohe Rohmaterialbestände, um die unzureichende Liefertreue von Lieferanten auszugleichen

  • hohe Zwischenbestände von Baugruppen, um eine zu hohe Ausschussquote zu kompensieren

  • hohe Zwischenbestände aufgrund fehlendes Flusses in der Fertigung (Losgrößenfertigung)

  • hohe Zwischenbestände wegen langer Rüstzeiten

  • hohe Pufferbestände, um Maschinenausfälle zu kompensieren

  • hohe Fertigwarenbestände, um schnelle Lieferung trotz langer Durchlaufzeiten zu gewährleisten

  • hohe Fertigwarenbestände, um Schwankungen auf dem Absatzmarkt auszugleichen

  • hohe Bestände auf Grund schlechter Planung und falschem Forecast

 

Auswirkungen:

Hohe Bestände verbergen die eigentlichen Probleme in der Wertschöpfungskette. Prozessunzulänglichkeiten werden oft durch das Heraufsetzen entsprechender Sicherheitsbestände umgangen. Dies ist eine schnelle und einfach durchzuführende Maßnahme, die allerdings verhindert, dass sich die Prozessbeteiligten mit den eigentlichen Problemen innerhalb des Prozesses auseinandersetzen.

Hohe Bestände verursachen Kapitalbindungskosten und ein erhöhtes Risiko bezüglich der Wertminderung durch Veralterung.

M = Motion = Bewegung

Unnötige Bewegung ist ein weiterer Aspekt, der die Produktivität senkt. Zur unnötigen Bewegung zählt ebenso Bewegung in eher kleinen Maßstäben wie zum Beispiel das Reichen von Werkzeugen oder das Hinlangen zu unnötig weit entfernt angeordneten Komponenten als auch Bewegung in großen Maßstäben wie der Gang zur zentralen Werkzeugausgabe, um ein Ersatzwerkzeug zu holen.

Bewegung.jpg

© ioannis kounadeas - Fotolia.com

Mögliche Ursachen:

Oft ist eine ungünstige oder fehlende Arbeitsplatzergonomie Grund für unnötige Bewegung, die nicht nur die Effizienz des Mitarbeiters einschränkt, sondern auch in vielen Fällen zu Arbeitsunfällen oder schlechter Qualität führen kann. Um die Arbeitsplatzergonomie zu verbessern, müssen die Arbeitsabläufe genau analysiert werden, um anschließend optimale Bedingungen für den Arbeitsablauf schaffen zu können. Durch die richtige Anordnung der Komponenten und Betriebsmittel auf dem Montagetisch, der vollständigen Verfügbarkeit aller benötigten Materialien und Werkzeuge und den richtigen Umgebungsbedingungen wie etwa Beleuchtung und Tischhöhe können meist schon erhebliche Verbesserungen erzielt werden.

Unnötige Bewegung im größeren Maßstab äußert sich durch regelmäßiges Umherlaufen des Mitarbeiters innerhalb des Arbeitsbereichs oder dadurch, dass der Mitarbeiter sogar den eigenen Arbeitsbereich verlassen muss, um beispielsweise fehlende Dinge aus anderen Bereichen zu beschaffen. Unordnung ist daher sehr oft ein Grund dafür, dass viel Arbeitszeit mit der Suche nach Werkzeugen oder Materialien verschwendet wird. Bei solchen Suchaktionen legt der Mitarbeiter vielfach erhebliche Strecken zurück, währenddessen er natürlich nicht wertschöpfend tätig sein kann. Die Anwendung der 5S-Methode, bei der im ersten Schritt nicht benötigte Dinge am Arbeitsplatz rigoros aussortiert werden, um dann im zweiten Schritt Ordnungssysteme zu installieren, die eine Verfügbarkeit der tatsächlich benötigten Dinge gewährleisten, kann in solchen Fällen schnell Abhilfe schaffen.

W = Waiting = Warten

Warten ist, wie der Name schon sagt, ein Zeitraum, währenddessen keine Aktivität statt- findet. Der Mitarbeiter ist aus irgendwelchen Gründe gezwungen zu warten und kann daher keine Wertschöpfung am Produkt vollziehen.

 

Die Liegezeit von angearbeiteten Produkten kann auch als eine Art des Wartens betrachtet werden. Dabei wartet allerdings nicht der Mitarbeiter darauf, dass er wieder wertschöpfend tätig werden kann, sondern das Produkt wartet - im übertragenen Sinne - darauf, dass es weiter bearbeitet wird. Ein Großteil der Durchlaufzeit für die Herstellung eines Produktes findet seine Ursache in Warte- und Liegezeiten.

Warten.jpg

© Butch - Fotolia.com

Mögliche Ursachen:

Wartezeiten entstehen, wenn Mitarbeiter zum Beispiel auf Materialnachschub oder auf das Ende eines Bearbeitungszyklus einer Maschine warten müssen. Wartezeiten können aber auch auf Grund einer fehlenden oder unzureichenden Austaktung von verschiedenen Prozessschritten einer Wertschöpfungskette auftreten. In solchen Fällen ist der Vorgängerprozessschritt noch nicht beendet und der Nachgängerprozessschritt kann deshalb noch nicht gestartet werden.

Liegezeiten entstehen in einer werkstattorientierten Produktion oftmals dann, wenn die Maschinen und Montageplätze nach dem sogenannten Trichterprinzip geplant werden. Nach diesem Steuerungsprinzip ist an jedem Arbeitsplatz ein bestimmter Vorrat an Aufträgen in einer Auftragswarteschlange (dem Trichter) eingereiht, mit dem Ziel, dass die Maschinen oder Montagearbeitsplätze immer voll ausgelastet sind und keine Stillstandszeiten entstehen. In diesem Modell darf der Trichter niemals leer laufen und wird daher immer wieder neu befüllt und der Füllungsgrad regelmäßig kontrolliert. Diese Betrachtungsweise verhindert zwar einen Stillstand teuerer Maschinen, verhindert aber auch gleichzeitig einen kontinuierlichen Materialfluss der Produkte durch die Wertschöpfungskette, was eine unnötig lange Durchlaufzeit zur Folge hat.

Jedes Fertigungslos mit einer Losgröße > 1 verursacht unnötige Liegezeiten, da beispielsweise das letzte Teil des Loses - selbst wenn der Fertigungsauftrag ohne Verzögerung startet - erst dann bearbeitet werden kann, nachdem alle anderen Teile des Loses zuvor bearbeitet worden sind. Auch hier stellt die One-Piece-Flow-Zelle nach der Lean-Philosophie bezüglich der Liegezeiten zwischen den Prozessschritten den Idealzustand dar.

Auswirkungen:

Wie bereits oben erwähnt ist die schwerwiegendste Auswirkung der negative Effekt auf die Durchlaufzeit für die Herstellung der Produkte.

Wartezeiten können aber auch einen erheblichen Einfluss auf die Motivation der Mitarbeiter haben. Mitarbeiter, die stundenlang einer Maschine bei der Arbeit zuschauen müssen und deren Einsatz - sowohl geistig als auch körperlich - während dieser Zeit kaum gefordert wird, werden auf Dauer unzufrieden.

O = Overproduction = Überproduktion

Überproduktion ist immer dann vorhanden, wenn mehr produziert wird, als der Kunde bereit ist aktuell abzunehmen. Überproduktion generiert folglich Lagerbestände, die gerade keiner benötigt. Bei der Überproduktion wird zwar Wertschöpfung im klassischen Sinne betrieben, es ist aber nicht sicher, ob die erzeugten Werte auch jemals den Weg zum Kunden finden und damit

Ueberproduktion.jpg

© Mira - Fotolia.com

für das Unternehmen umsatzwirksam werden. Daher gilt die Überproduktion als Wert-schöpfung mit fehlender Nachfrage in der Lean-Lehre als Verschwendung.

Mögliche Ursachen:

Die Ursache liegt oft in der Anwendung der sogenannten „Optimalen Losgröße“, die von vielen ERP/MRP-Systemen automatisch für anstehende  Fertigungsaufträge herangezogen wird. Primäres Ziel dieser Formel ist es, die zu produzierende Losgröße auf Basis des Optimums zwischen Rüstkosten und Bestandskosten zu ermitteln. Dabei spielt es keine Rolle, ob für die errechnete Stückzahl auch tatsächlich ein konkreter Kundenbedarf vorhanden ist.

Das Messen der Produktion anhand von Auslastungskennzahlen kann ebenfalls dazu führen, dass Fertigungsaufträge ausgelöst werden, für die kein konkreter Kundenbedarf ansteht, da investitionsintensive Maschinen und Anlagen möglichst nicht unproduktiv sein sollen.

Auswirkungen:

Die offensichtlichste Auswirkung von Überproduktion sind hohe Bestände von Komponenten, Baugruppen und Fertigprodukten. Bestände sind per Definition ebenfalls Verschwendung (siehe oben). Überproduktion führt aber auch zu langen Durchlaufzeiten und damit zu langen Lieferzeiten für den Kunden, da Ressourcen gebunden werden, die für die Fertigung tatsächlicher Kundenbedarfe eingesetzt werden könnten.

O = Over-Engineering = falsche Prozesse/Technologie

Von Over-Engineering spricht man, wenn Prozesse oder Fertigungs-verfahren (-technologie) ohne Notwendigkeit für das Endprodukt unnötig komplex ausfallen.

OverEngineering.jpg

© Sebastian Kaulitzki - Fotolia.com

Over-Engineering lässt sich am besten anhand von Beispielen erläutern:

Beispiel A:
Herstellen einer für das Endprodukt unnötig hohen Oberflächengüte

Beispiel B:
Aufwändige Kontrollmessungen von Abmessungen, die für die eigentliche Funktion des Bauteils irrelevant sind

Beispiel C:
Mehrstufige Genehmigungsverfahren über mehrere Hierarchieebenen bei Einkäufen von Waren geringen Wertes --> vier Unterschriften für die Bestellung eines Päckchen Bleistifte

 

Mögliche Ursachen:

 

Für die oben genannten Beispiele könnten folgende Gründe vorliegen:

 

Beispiel A:

Die Maschine ist technisch in der Lage, diese hohe Oberflächengüte herzustellen, also wird sie auch produziert (Freude an der technischen Machbarkeit).

 

Beispiel B:

Unzureichende Kenntnisse der Qualitätssicherung bezüglich des Einsatzfalles des Bauteils oder fehlende Markierung der Prüfmaße auf der Fertigungszeichnung

Beispiel C:

Gelebte Bürokratie oder Verteidigung der Existenzberechtigung der verschiedenen Hierarchieebenen

Eine Vielzahl anderer Gründe für falschen Technologieeinsatz oder unzulängliche Prozesse sind denkbar. Oft liegt die Ursache auch darin begründet, dass die Prozesse oder die eingesetzte Fertigungstechnologie im Laufe der Zeit nicht angepasst wurden. Die Aussage "Das haben wir schon immer so gemacht" ist ein klares Indiz für mögliche Verschwendung in der Prozesslandschaft.​

D = Defects = Ausschuss/Nacharbeit

Dass Ausschuss oder Nacharbeit auf Grund mangelnder Qualität generell der Verschwendung zuzuordnen ist, sollte eigentlich am leichtesten nachzuvollziehen sein. Die Wertschöpfung ist bereits teilweise oder im schlechtesten Falle sogar komplett vollzogen, wenn das Produkt durch Prüfung, zum Beispiel während einer Endprüfung am Schluss der Wertschöpfungskette, als fehlerhaft identifiziert wird. Die bereits geleistete Wertschöpfung ist zumindest teilweise - bei möglicher Nacharbeit - oder sogar komplett - im Falle von Aussschuss -

Ausschuss.jpg

© Konstantinos Kokkinis - Fotolia.com

verschwendet und muss noch einmal geleistet werden.

​Mögliche Ursachen:

​Ursachen für mangelnde Qualität gibt es reichlich:

  • schlecht gewartete Maschinen, die fehlerhafte Teile produzieren

  • unzureichend geschulte Mitarbeiter

  • Lieferung defekter Komponenten durch Unterlieferanten

  • unkalibrierte Messmittel

  • etc.
     

Da solche Probleme täglich in jedem Produktionsbetrieb vorkommen können, ist es besonders wichtig, diese nachhaltig zu lösen. Lean Production verfolgt hierbei den Ansatz der Ursachenanalyse. Mit systematischen Problemlösungstechniken wie der 5-Why-Analyse oder der Ishikawa-Methode wird die zugrundeliegende Ursache des Problems identifiziert mit dem Ziel, diese Ursache dauerhaft zu beseitigen und damit die Fehlerrate nachhaltig zu verringern. Mit der bloßen Reparatur der fehlerhaften Teile als einzige Abstellmaßnahme, wie es in vielen Betrieben üblich ist, kann die Fehlerquote dauerhaft nicht gesenkt werden, da nur an den Symptomen, nicht aber an den Ursachen der Fehlerenstehung angesetzt wird.

Auswirkungen:

Ausschuss und Nacharbeit führen zu einer Verzögerung des Liefertermins zum Kunden und zwar nicht nur für die gerade hergestellten Produkte, sondern auch für nachfolgende Produktionsaufträge. Betriebswirtschaftlich betrachtet erhöhen sich so die Herstellkosten eines Produktes, was bei anhaltend schlechter Qualität sogar zur Produktionseinstellung dieses Produktes auf Grund fehlender Marge führen kann.

Die klassische Losgrößenfertigung in Verbindung mit einem werkstattorientiertem Produktionslayout verschlimmern die Auswirkungen unzureichender Qualität zusätzlich, da dann sehr oft bei systematischen Fehlern nicht nur ein einzelnes Teil, sondern das komplette Fertigungslos betroffen ist. Wenn dies dann außerdem erst bei der Endprüfung auffällt, ist der wirtschaftliche Schaden umso größer.

Bei einer "one-piece-flow"-Zelle eines Produktionssystems, das die Lean-Prinzipien optimal umsetzt, ist per Definition immer nur ein Teil defekt, wenn der Fehler auftritt und es können unverzüglich Maßnahmen eingeleitet werden, die die Fehlerursache abstellen.

bottom of page